Ich bin nicht sie - Interview (2.)
Anna räumte gerade die Bücher in das schwarze Regal, als sie Mels Stimme hörte, die wie ein lautes Geräusch durch den Laden tönte.
"Sei ein braver kleiner Junge, ja? Ich muss jetzt gehen, aber du wirst hier bei Tante Anna bleiben." In ihrer Stimme lag ein sanfter Ton, den man im Moment nicht oft in ihrer Stimme hören konnte. Anna spürte, wie sich ihre Lippen zu einem kleinen Lächeln verzogen, als sie das letzte Buch in das Regal stellte. Dann hörte sie es:
"Aber Papa hat gesagt, ich soll nicht mit Fremden reden, und du willst mich hier bei dieser fremden Frau lassen?" Der kleine Bücherwurm meldete sich mit seiner schrillen kleinen Stimme, die herrisch klang.
"Na, jetzt wissen wir, wer hier das Sagen hat!" dachte Anna mit einer leichten Schadenfreude, die sie sich nicht verkneifen konnte, da sie genau wusste, dass Mel nicht anders war, auch wenn sie versuchte, sich zu ändern.
Anna schüttelte den Kopf, immer noch lächelnd, und spürte, wie die Traurigkeit sie langsam verließ.
"Julie, du kennst doch Tante Anna, und wo ich hingehe, gehen Kinder nur hin, wenn sie krank sind, und was bist du krank?" Es herrschte eine donnernde Stille, nachdem Anna dies so plötzlich gehört hatte, aber sie dauerte nicht lange. Sie wurde von der sehr traurigen Stimme eines kleinen Mädchens unterbrochen.
"Bist du krank, Tantchen?" Annas Herz krampfte sich in dem Moment, als sie diesen Satz hörte, mit einer seltsamen Angst zusammen, so stark, dass sie für einen Moment die Augen schließen und tief durchatmen musste. Ihr Griff um ihren Stock wirkte krampfhaft. Anna verharrte einen Moment lang so, bevor sie Mel antworten hörte.
"Was willst du damit sagen, mein Engel? Ich und krank?" Plötzlich drang ein leises, kurzes Lachen durch den Raum, aber es war alles andere als fröhlich.
"Tantchen ist nicht krank, Prinzessin. Sie ist ins Krankenhaus gegangen, um eine Freundin zu besuchen!" sagte Anna und streichelte beruhigend die Hand der Kleinen. Das kleine Mädchen schaute sie mit blassblauen Augen an und sah aus, als würde es jeden Moment weinen.
"Wirklich?", sagte Julia. Ihr Kinn bebte bei diesem Satz und in ihrer Stimme lag eine Traurigkeit, die Annas Herz auf seltsame Weise zusammenziehen ließ. Wusste Julchen, was hier vor sich ging? Es ist wahr, dass Kinder manchmal mehr wissen, als wir denken. Ein Gedanke schoss Anna durch den Kopf, und gleichzeitig spürte sie Beklemmung. Aber nach außen hin sah sie aus, als wäre alles in Ordnung. Sie nahm die winzige Hand sanft in die ihre und atmete leise.
"Genau! Ich will dir etwas sagen, willst du?", sie lehnte sich über den Tisch hinweg näher an sie heran. An diesem Morgen schaute die kleine Julie sie mit purer kindlicher Neugierde an und nickte eifrig, bis ihr die Haare ins Gesicht flogen.
Leider gelang es Anna, das kleine Mädchen so weit zu beruhigen, dass es schließlich zu lächeln begann. Es sah sogar so aus, als würden Julie und Anna sich amüsieren. Sie stellte weiter ihre Fragen, und jede Frage begann mit den Worten "Warum?" oder "Kann ich dir helfen?" Eine Kinderstimme hallte durch den Laden, etwas störrisch.
"Ich weiß, Julie, aber der Stuhl wäre zu schwer für dich!" Anna sprach mit geduldiger Stimme zu dem kleinen Mädchen, während sie die Tische für die Gäste vorbereiteten, die in einer halben Stunde kommen sollten. "Aber weißt du was? Wenn ich das mache, dann breiten wir gemeinsam die Tischdecken aus, okay?" Julie warf ihr einen traurigen Kuckucksblick zu, nickte aber gleichzeitig langsam und rannte dann sofort ganz aufgeregt zu dem weißen Tresen, auf dem die Tischdecken lagen.
Anna schüttelte lächelnd den Kopf. In diesem Moment fühlte sie sich wirklich wohl.